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Ausgrenzung ist nicht sexy. Inklusion in Unternehmen.

Ein gesellschaftlicher Mehrwert, der unterschätzt wird.

| Victoria Knauer Hansen

Inklusion von Menschen mit Behinderung ist in Deutschland nach wie vor ein großes Thema und erfordert viel Aufklärung und Handlungsbedarf. Das Problem in unserer Gesellschaft sind in der Regel nicht Menschen, weil sie eine Behinderung haben, sondern Vorurteile von Menschen ohne Behinderungen. In Deutschland leben mehr als 10 Millionen Menschen mit Behinderung. Bei nur 3 Prozent der Betroffenen ist eine Behinderung angeboren. 77 Prozent erlangen eine Behinderung im Laufe ihres Lebens. Das heißt, Inklusion betrifft uns alle und es ist unsere Aufgabe, zu lernen, was Inklusion kann. Stauts Quo in Deutschland ist, dass Inklusion in Ordnung ist, solange es nichts kostet. Da wir bei Inklusion aber über Menschenrechte sprechen, darf die Kostenfrage gar nicht mehr im Raum stehen.

Gelebte Inklusion im Hotel

Was können und sollten Unternehmen oder Organisationen tun?

Unternehmer und Führungskräfte dürfen lernen, dass Inklusion ein absoluter Mehrwert für jeden Betrieb und jedes Team sein kann. Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, berichten immer wieder davon, dass sich das Betriebsklima positiv verändert hat. Führungskräfte aus Inklusionshotels sprechen von der menschlichen Entschleunigung, und wer einmal in einem gemischten Team gearbeitet hat, wird den Zusammenhalt und das Besondere nicht mehr missen wollen. Inklusion zeigt, dass anders sein in keinster Weise ein Hindernis ist. Ganz im Gegenteil, wir merken sehr schnell, dass auch der bekannte Weg in der Mitte zum Erfolg führen kann.

Auch die Wirkung, die ich als Arbeitgeber bekomme, unterschätzen viele. Inklusion ist keine Marketingmaßnahme und darf auch nicht als solche eingesetzt werden. Jedoch werden auch andere Bewerber bzw. Mitarbeitende sehr schnell wissen, dass ich als Arbeitgeber in der sozialen Säule der Nachhaltigkeit und menschlich nicht komplett falsch liegen kann, wenn ich Menschen mit Behinderung beschäftige. Vielfalt im Team geht einher mit unterschiedlichen Sichtweisen, Erfahrungen und Kompetenzen. Das fördert den Austausch und bringt kreative Ideen und Innovationen voran. Befragungen zeigen auch, dass Bewerber immer öfter angeben, dass sie Unternehmen mit diversen Teams deutlich bevorzugen. Wer dem aktuellen Fachkräftemangel also wirksam begegnen möchte, muss ebenfalls beim Thema Inklusion und Diversität ansetzen. 

Im ersten Schritt sollten Unternehmen jedoch das Thema intern und mit den bereits vorhandenen Teammitgliedern besprechen. Auch die Personalabteilung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass sich Menschen mit Behinderung im Unternehmen bewerben. Die Stellenanzeigen sind oft noch so formuliert, dass ein betroffener Mensch sich gar nicht angesprochen fühlt, denn der Satz „mit Handicap bevorzugt“ reicht heute nicht mehr aus. 


Hier können wir als Verbraucher unserer Verantwortung gerecht werden.

Wir als Gesellschaft können unser Bewusstsein für unsere Mitmenschen schärfen. Wenn ich sehe, dass ein Kind eine Behinderung hat, muss ich es oder die Eltern dann wirklich noch starrend anschauen? Wenn ich an der Kasse im Supermarkt auf einen Mitarbeitenden treffe, der anders antwortet, als ich es vielleicht erwarte – was sind dann meine Gedanken? Kann es vielleicht sein, dass der Mensch eine unsichtbare Behinderung hat? Muss der Mensch eine Kennzeichnung tragen, damit wir uns nicht kurz einen Moment Zeit nehmen, um selbst auf den Gedanken zu kommen? Wenn ich einen Elektroroller leihe, muss ich ihn dann wirklich in der Mitte des Fußweges parken, damit kein anderer mehr vorbeikommt? Vieles davon hat noch nicht einmal etwas mit Inklusion zu tun, sondern mit Menschlichkeit und einer gewissen Reflexion der eigenen Gedanken und des eigenen Handelns.

Und eventuell kann jeder Einzelne einmal den Impuls mit in das Unternehmen bringen, ob nicht die Möglichkeit besteht, eine Stelle im Betrieb mit einem Menschen mit Behinderung zu besetzen. Denn das ist das Ziel der Inklusion: Wenn es „normal“ wird, dass Menschen mit und ohne Behinderung in allen Lebensbereichen gemeinsam leben und arbeiten.


Mit politischen Vorgaben zu einer vielfältigen Gesellschaft ohne Vorurteile

Wichtig wird in der Zukunft sein, dass es mehr Gesetze zur Barrierefreiheit und Inklusion von Menschen mit Behinderung gibt. In den SDG`s ist das Ganze bereits ein fester Bestandteil. Das SDG-Ziel 8 zielt speziell darauf ab, Menschen mit Behinderung beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu unterstützen. Das Gleiche muss auch gesetzlich für alle anderen Bereiche im Leben gelten. Vom Kinobesuch bis zum barrierefreien Bestellen einer Pizza. Ein Mensch mit oder ohne Behinderung sollte in der heutigen Zeit nicht mehr angeben müssen, ob er eine Behinderung hat. Von Menschen ohne Behinderung wird das in keinem Lebensbereich erwartet. 

Inklusion in Hotels

Die Hotelbranche ist auf einem guten Weg

In der Hotellerie in Deutschland und Teilen Europas gibt es um die 45 Inklusionshotels, die sich alle zum zertifizierten Embrace-Verbund zusammengeschlossen haben. Diese Zahl erfasst nicht die Hotels, die bereits Menschen mit Behinderung beschäftigen, jedoch keine regulären Inklusionsbetriebe sind. Menschen mit Behinderung sind sehr loyale Arbeitnehmer, da sie um die wenigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt wissen. Die Hotellerie ist ein sehr beliebter Arbeitsplatz, da es so viele verschiedene Einsatzmöglichkeiten gibt und wir am und mit Menschen arbeiten. Inklusionsbetriebe sind auch Wirtschaftsunternehmen, das heißt, sie müssen am Markt bestehen wie herkömmliche Betriebe. Ziel und Zweck ist es, dass sie Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt ermöglichen und die Menschen sich weitaus mehr entwickeln können als beispielsweise in Werkstätten.

Wir können gewisse Barrieren nur durchbrechen, wenn wir einander begegnen, denn dann können wir voneinander lernen. Die Behinderung spielt dabei keine Rolle, sondern im Fokus ist der Mensch mit seinen Leistungen und Fähigkeiten. Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, wollen gemocht werden für ihren Charakter, ihren Humor, ihre Leistung, nicht für oder wegen einer Behinderung. Viele Menschen ohne Behinderung haben bereits eine Barriere in der Ansprache. Das, was entscheidend ist, ist der Mensch. Wir sprechen von Menschen mit Behinderung, Menschen mit Handicap, Menschen mit Einschränkungen. Es ist unsere Aufgabe, eine Gesellschaft zu formen, in der Menschen mit Behinderung sich nicht für etwas bedanken müssen, was für uns selbstverständlich ist. 

Inklusionshotels machen uns eine Sache vor, wie kein anderer. Sie sind darin geübt, Arbeitsplätze an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen und nicht andersrum. Ein Beispielhaftes Hotel ist das Hotel einsmehr in Augsburg. Hier werden Menschen mit Behinderung nicht nur gefördert und können sich weiterentwickeln, sie werden auch entsprechend ausgebildet. Das öffnet den Weg und die Türen, irgendwann auch in herkömmlichen Betrieben arbeiten zu können. Das Hotel hat bereits mehrere Auszeichnungen für sein Engagement erhalten.

Bernd Kerkhoff vom Embrace-Verbund sagt: „Inklusionshotels können an die soziale Säule der Nachhaltigkeit einen Haken machen. Aber das reicht nicht. Es ist wichtig, dass man auch an den anderen Themen weiterarbeitet, und wir können uns nicht ausruhen. Deswegen ist die Kooperation zwischen GreenSign und dem Embrace Verbund wichtig.“ Das Statement zeigt deutlich, dass auch Inklusionsbetriebe alle Bereiche der Nachhaltigkeit erfüllen müssen, um am Markt bestehen zu können.

Es ist unsere Aufgabe, eine Gesellschaft mitzuformen, in der menschliche Vielfalt willkommen ist und Menschen mit Behinderung sich nicht für etwas bedanken müssen, was für uns selbstverständlich ist. Die Vorteile für Unternehmer, diese Menschen in das Arbeitsleben zu integrieren, liegen auf der Hand.

Viktoria Knauer Hansen - Expertin zur Inklusion in Unternehmen

About: Victoria Knauer Hansen
Die Hamburgerin ist seit 19 Jahren in der Hotellerie tätig und weltweit für die Branche im Einsatz. Als Sustainability Managerin beim GreenSign Institut liegt ihr Fokus nicht nur auf nachhaltigen Praktiken, sondern auch auf den wichtigen Themen Diversity & Inklusion. Mit der Initiative „AVA- Herz drauf“ setzt sie sich besonders für Menschen mit Behinderung ein. Sie unterstützt die DHA als Dozentin und war bereits in verschiedenen Podcast Folgen zu Gast.

Bilder zur Verfügung gestellt von:
Hotel einsmehr Augsburg
Stadthaushotel Hamburg
Herzlichen Dank 🙂